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In Marits Zimmer sah es wüst aus. "Marit räum dein Zimmer auf! Muss ich denn immer wieder das Gleiche sagen?" Ja, ja, immer das Gleiche. Kann sie nicht endlich einmal mit diesem Stress aufhören? Schließlich ist es mein Zimmer und ich finde es sehr ordentlich, dachte Marit.

Sie, das war Marits Mutter, die natürlich eine etwas andere Vorstellung von Ordnung hatte, als ihre Tochter. Aber so sind die Menschen verschieden.

In ihrem Zimmer setzte sich Marit genervt auf ihr Bett und schaute sich um. Kreuz und quer lagen die Spielsachen und ihre Schulsachen schön verteilt in den Regalen, auf dem Schreibtisch und na ja, ein paar eben auch auf dem Fußboden. Aber ist das denn so ein großes Problem?, dachte sie wieder. Ihr Blick fiel auf ihr Lieblings-Steifftier, einen großen Orcawal. Sie träumte davon, eines Tages Meeresbiologin zu werden und mit diesen großen, majestätischen Meeressäugetieren zu arbeiten.

 

Nimm Dir Zeit Deine Träume zu träumen

 

 

Das Meer war sehr ruhig. Eigentlich viel zu ruhig für diese Jahreszeit, überlegte Marit. Sie stand an der Reling der Orca I, eines der drei Boote, die zur GEM, der Gesellschaft zur Erforschung der Meeresbiologie, gehörten. Die Boote waren mit den modernsten, technischen Geräten ausgestattet und jedes der Boote war mit einem Team von fünf Personen besetzt.

Seit Tagen nun war die Orca I vor der kalifornischen Küste unterwegs und versuchte Kontakt zu einer großen Gruppe von Orcawalen zu bekommen, die sie gestern endlich zum ersten Male gesehen hatten. Marit war sehr aufgeregt, denn sie war ganz neu im Team. Als beste Studentin ihres Jahrgangs hatte sie ihr Examen mit "summa cum laude" bestanden und ein Stipendium erhalten, welches ihr ermöglichte ein Jahr in Kalifornien für die GEM zu arbeiten.

Noch nie zuvor hatte sie einen Orcawal wirklich gesehen und sekundenlang blieb ihr Herz stehen, als die Wale plötzlich vor ihnen auftauchten. Sie glitten fast lautlos aus dem Wasser, hoch über ihre Köpfe, um dann mit einem lauten Aufprall wieder ins Wasser einzutauchen. Es war eine Familie von acht Walen. Schon vorher konnten sie feststellen wie viele Tiere in dieser Gruppe lebten. Mit ihren Geräten fingen sie die Stimmen der Wale auf und konnten so genau berechnen, um wie viele Orcas es sich handelte.

 

 

"Es ist so still, irgend etwas stimmt nicht!" Jim, Marits Freund und Kollege, stand hinter ihr und legte einen Arm um sie. Besorgt schaute er zum Himmel auf, der von einer Minute zur anderen fast schwarz wurde. "Wir sollten schnellstens zurück", rief er und lief los um den anderen Bescheid zu sagen. Im gleichen Moment ertönte ein ohrenbetäubendes Brausen. Blitze zuckten über den nachtschwarzen Himmel und das Meer bäumte sich meterhoch auf. Erschrocken klammerte sich Marit an der Reling fest. Sie schrie laut um Hilfe, aber gegen dieses Getöse kam sie nicht an. Die nächste Welle schlug über ihr zusammen und riss sie vom Boot hinunter, ins eiskalte Wasser.

 

Jim und seine Kollegen hatten alle Hände voll zu tun, die Orca I in Küstennähe zu bringen. "Wir schaffen es nicht", schrie Marc und versuchte mit letzter Kraft gegen den Sturm anzusteuern. "Wir müssen es schaffen!", schrie Jim zurück. "Ich komme und helfe dir!" Zu zweit hielten sie das Steuer krampfhaft fest. Sie stemmten die Füße fest auf den Boden, während das Schiff hin und her schaukelte und von den schäumenden Wellen überrollt wurde. Keiner von ihnen hatte bemerkt, dass ihre Freundin von Bord gespült wurde und nicht mehr bei ihnen war.

Fast genauso plötzlich, wie der Sturm gekommen war, hörte er auch wieder auf. Aufatmend steuerten sie das letzte Stück bis zur Küste und machten die Orca I fest.

Marit tauchte ins Wasser und verlor sofort das Bewusstsein. Sie merkte nicht mehr wie ein Orca sich von seiner Gruppe löste und sie mit seinem massigen Körper auffing. Er trug sie zu seiner Familie und gemeinsam schwammen sie in Richtung Küste. Der Sturm hatte sich gelegt. Die mächtigen Tiere schwammen so nah an den Strand heran, wie es eben für sie möglich war. Dort legten sie Marit behutsam nieder und zogen sich wieder aufs offene Meer zurück. Die nächste Welle spülte die junge Frau auf festen Boden.

 

Unterdessen wurde auf der Orca I bemerkt, dass Marit fehlte. Jim wollte unter allen Umständen wieder zurück aufs Meer und sie suchen. "Wir können sie doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen", schrie er auf die anderen ein. "Nein, natürlich nicht, aber wir können da gar nichts ausrichten", erwiderte Marc, "wir müssen die Küstenwache informieren und die suchen sie dann mit dem Hubschrauber." "Seht mal da! Was hat das zu bedeuten?" Aufgeregt zeigte Sally aufs Meer. Dort schwammen acht Orcas hintereinander in einem großen Kreis. Immer an der gleichen Stelle. "Es sieht aus, als wollten sie uns etwas mitteilen!", überlegte Conny. Schnell liefen die Freunde zum Strand hinunter. "Hier liegt jemand, beeilt euch!" Jim stand als erster im seichten Wasser. "Es ist Marit!" Er beugte sich über sie, drehte ihren Kopf zur Seite und drückte seine Hände fest auf ihren Brustkorb, bis ein Schwall Wasser nach dem anderen aus ihrem Mund floss. Nach einer Weile öffnete sie die Augen und schaute ihre Kameraden verwundert an. Glücklich umarmten sie die Gefährtin und erzählten ihr, dass sie durch die Orcas auf sie aufmerksam geworden waren.

 

 

 

Einige Tage später stand Marit wieder an der Reling der Orca I und schaute ihren neuen Freunden zu, die ausgelassen spielten. Sie tauchten unter, um dann gleich darauf wieder aus dem Wasser zu schießen und meterhoch zu springen. Klatschend ließen sie sich wieder ins Wasser fallen. Es war ein atemberaubender Anblick. Diese Tiere sind doch die schönsten und klügsten Tiere der Welt. Und außerdem haben sie mir das Leben gerettet, dachte Marit und lächelte dankbar.

 

 

Marits Mutter schaute ins Zimmer ihrer Tochter und sah diese träumend auf dem Bett sitzen. Ob sie wohl jemals lernen wird Ordnung zu halten, überlegte sie.