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Jessica und das
Klappomobil |
Für Jessica - 1985 |
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Eines Tages, als Jessicas Mama ihre kleine Tochter von
Oma und Opa abholte, fragte das Kind unterwegs: "Mama, was
ist ein Klappomobil?" Jessicas Mutter überlegte und sagte:
"Jessi, das weiß ich nicht. Wenn dein Opa dich morgen
vom Kindergarten abholt, dann fragst du ihn. Vielleicht
weiß der Opa was ein Klappomobil ist."
Am nächsten Tag
konnte Jessica es kaum erwarten bis der Kindergarten zu
Ende war. Sie stand schon fertig angezogen und
ungeduldig vor der Türe, als der Opa schnaufend um die
Ecke kam. Ausgerechnet heute hatte er sich verspätet und
musste sich furchtbar beeilen, um Jessica abzuholen.
"Opa, Opa weißt du, was ein Klappomobil ist?" "Ein
Klappomobil?", fragte der Großvater, "nein, das weiß ich
wirklich nicht. Vielleicht ist ein Klappomobil etwas
womit man spielen kann. Aber ich mache Dir einen
Vorschlag. Wenn wir zu Hause sind, dann fragst du die
Oma. Außerdem kommt deine Tante gleich zu Besuch. Es
wäre möglich, dass sie wissen was ein Klappomobil ist."
Zu Hause lief Jessica sofort zur Oma,
um zu fragen, was ein Klappomobil wäre. Die Großmutter
schüttelte den Kopf. "Nein, das Wort Klappomobil habe ich noch nie gehört. Vielleicht ist es
ein altes klappriges Auto." Jessica überlegte.
Nein, das konnte auch kein Klappomobil sein. Ungeduldig
wartete sie auf ihre Tante. "Weißt du was ein Klappomobil
ist?" Die Tante schaute ihre Nichte an und dachte:
Eigenartig,
was Kinder sich so alles einfallen lassen. Aber was ein Klappomobil
war, wusste sie auch nicht.
Enttäuscht
blickte Jessica aus dem Fenster. So viele Erwachsene
hatte sie gefragt. Niemand wusste was
ein Klappomobil war oder konnte ihr die Bedeutung des
Wortes erklären. Dabei hieß es immer, dass Erwachsene so klug wären. Aber es musste doch jemanden geben der
wusste, was es mit dem Klappomobil auf sich hatte. Da
beschloss das kleine Mädchen auf die Suche nach dem
Klappomobil zu gehen.
Am nächsten
Morgen, verabschiedete sich Jessicas Mama vor dem
Kindergarten von ihrer kleinen Tochter. Jessica winkte
noch bis die Mutter nicht mehr zu sehen war. Dann lief
sie auf die Straße zurück. Sie wusste nicht so genau wo sie
mit ihrer Suche beginnen sollte. Die Menschen hasteten an ihr vorbei
und achteten nicht auf das Kind mit der Umhängetasche. Ob von ihnen
einer wusste, was ein Klappomobil war, überlegte
Jessica. Vielleicht der Mann mit der Brille, der sah so
schlau aus. "Hallo, weißt du ...?" Ach schade, schon
vorbei. Der Mann hatte es sicher sehr eilig. Er musste
bestimmt arbeiten, genau wie ihr Papa. |
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Das
Mädchen ging immer weiter, bis es zur
Straßenbahnhaltestelle kam. Dort standen viele
Leute, die alle auf die Straßenbahn warteten.
Neben ihm stand eine dicke Frau mit einem
riesigen Hut auf dem Kopf.
Jessica
zupfte an ihrem Kleid. "Guten Tag", machte sie
sich höflich bemerkbar, "kannst du mir sagen, was
ein Klappomobil ist?" Die beleibte Dame
beugte sich zu ihr hinunter. "Ein Klappomobil?", fragte
sie überrascht. "Du meinst sicher den
Klapperstorch?" "Nein", erwiderte Jessica, "ein Klappomobil." Die Frau war wirklich sehr
erstaunt. Links neben ihr stand ein kleiner,
älterer Herr. Sie drehte sich zu ihm um und
sprach ihn an: "Kennen sie ein Klappomobil?" "Klappomobil?
Nein, nie gehört!"
Im gleichen Moment bog die Straßenbahn um die
Ecke. Die Fahrgäste drängten alle
nach vorne, um auch ja noch einen Sitzplatz zu erwischen. Mitten unter ihnen stand
Jessica. Sie wurde hin und her geschubst.
Plötzlich, sie wusste nicht wie
ihr geschah, befand sie sich in der Bahn. Kaum
waren alle Türen geschlossen, ging die Fahrt
auch schon los. |
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Ihr wurde Angst und
Bange. Sie wusste ja nicht wohin die Bahn fuhr und
außerdem hatte sie auch keine Fahrkarte. Wenn jetzt der
Kontrolleur kam und nach der Fahrkarte fragte, was sollte sie dann nur tun? Dicke Tränen traten
ihr aus den Augen und rollten über ihr Gesicht.
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Wieder war es die rundliche Frau mit dem großen Hut,
die jetzt neben ihr saß und fragte: "Warum weinst
du so schrecklich? Bist du so traurig weil
keiner weiß, was ein Klappomobil ist?" "Nein, weil ...", und Jessica erzählte
ihr, dass sie Angst vor dem Kontrolleur hatte, weil sie
keine Fahrkarte besaß. Die Mollige nickte
verständnisvoll mit dem Kopf. Sie zog ein
riesengroßes Taschentuch aus ihrer Tasche, gab
es dem Kind und tröstete es. "Nun weine nicht mehr und
trockne dir ganz schnell die Tränen. Ich habe
noch eine Fahrkarte, die will ich dir geben."
Als Jessica das hörte, strahlte sie sofort über
das ganze Gesicht. "Danke, danke", rief sie
überglücklich. Die dicke Frau war heilfroh, dass
die Kleine nun nicht mehr weinte. Jetzt konnte
Jessica auch wieder daran denken, wieso sie
eigentlich in der Straßenbahn saß. Sie war ja
auf der Suche nach dem Klappomobil. Und wer
weiß, vielleicht war das Klappomobil ja genau
dort wo die Bahn hinfuhr. |
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Neugierig schaute
sie aus dem Fenster. Es war furchtbar viel Getöse auf
der Straße. Hupen, Klingeln, Quietschen,
Motorengeräusche - richtiger Großstadtlärm. An den
Haltestellen stiegen immer mehr Menschen in die
Straßenbahn ein, andere mussten wieder aussteigen. Auch
die nette Frau, die ihr eine Fahrkarte gegeben hatte,
musste jetzt aussteigen. Sie verabschiedete sich von
ihrer Mitfahrerin und wünschte ihr viel
Glück auf der Suche nach dem Klappomobil.
Jessica sah Häuser, Bäume und
Autos an ihrem Fenster vorbeisausen. Sie waren schon
eine ganze Weile gefahren, als die Bahn wieder
hielt. Endstation - bitte alles aussteigen.
Rasch nahm sie ihre Kindergartentasche
und ging hinter den anderen Leuten her zur Türe. Da
stand sie nun auf der Straße und wusste nicht, wo sie
war und wohin sie sich wenden sollte. Die Menschen
liefen eilig an ihr
vorbei. Sie wollten sicher schnell nach Hause in ihre
gemütlichen Wohnstuben.
Seufzend ging sie weiter. Am Ende der Straße
kam sie an ein Tor. Über dem Tor stand in großen
Buchstaben
- Zoologischer Garten -
Sie kannte den Zoo schon
von früheren Besuchen. Es hatte ihr viel Spaß gemacht
die Tiere zu beobachten. Schnell schlüpfte sie durch das Tor
und stand auch schon vor dem ersten Tiergehege. |
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Es
waren die Elefanten, die zur Begrüßung von
Jessica ihren Rüssel hoben und laut trompeteten:
"Hört, ihr Tiere im Zoo, gleich kommt die kleine
Jessi und besucht euch alle." Jessica dachte,
wenn die Menschen nicht wissen was ein Klappomobil ist,
dann wissen es vielleicht die
Tiere. Jumbo, der größte Elefant, stand
gerade vor ihr und kaute an einem Zweig, den er
sich vom Baum gepflückt hatte. "Du Jumbo, weißt
du was ein Klappomobil ist?", fragte sie
ihn. "Mhm,
überlegte Jumbo, "nein, keine Ahnung! Ist
mir nie zu Ohren gekommen.
Aber lauf mal rüber zu den Affen, die
wissen es vielleicht." |
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Die
Affen lebten im Sommer auf einer großen Insel,
mitten im Zoo. Sie waren immer zu lustigen
Streichen aufgelegt. Besonders die kleinen
Affenkinder waren springlebendig. Die
Affenmütter hatten ihre liebe Not einigermaßen
Ordnung in ihre Kinderstube zu bringen.
Jessica ging zu Kimba, dem
ältesten der Affen. Er hatte einen weißen Bart,
so alt war er schon. "Kimba!" Sie musste
ganz laut rufen, weil sie nur bis zur Absperrung
durfte. Außerdem war Kimba auch schon etwas
schwerhörig geworden. "Weißt du was ein Klappomobil ist?" Kimba überlegte sehr lange und
genau. Aber so ein eigenartiges Wort kannte er
nicht. |
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Mittlerweile wussten alle Tiere im Zoo, dass ein
Menschenkind unbedingt wissen wollte, was ein Klappomobil
war.
Die
Löwen brüllten: "Klappomobil? Völlig
unbekannt." Die Tiger und Leoparden fauchten:
"Nein, nie gehört." Die Wildschweine grunzten:
"Alles Unsinn! Es gibt kein Klappomobil!"
Die Vögel im Vogelhaus
zwitscherten alle durcheinander. Es war ein
solches Spektakel im Zoo, dass der Zoodirektor
verwundert seinen Kopf aus dem Fenster streckte
und dachte: Ob ich wohl die Fütterungszeit
verschlafen habe?
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Die
Giraffe vergaß beim Nachdenken sogar ihre
Halsschmerzen. Das war ein großes Glück für sie.
Wenn eine Giraffe Halsschmerzen hat, dann
dauert es viele Monate bis sie wieder
gesund ist, weil sie ja so einen langen Hals
hat. Aber auch sie konnte Jessica nicht
helfen.
Traurig
verabschiedete sich die kleine Ausreißerin von den Tieren und
machte sich auf den Heimweg. Sollte wirklich
weder Mensch noch Tier wissen, was ein Klappomobil
war?
Auf dem Weg zum Ausgang musste sie am Krokodilgehege vorbei. Vor dem Gehege
stand ein kleiner Junge und rief ganz aufgeregt:
"Mama, Mama guck mal, da ist ein Klappomobil."
Nun endlich wusste Jessica,
was ein Klappomobil war.
Es ist das Krokodil, das in der Kindersprache Klappomobil genannt
wird.
© Copyright Marika Krücken |
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