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Leseproben

Geschichten - Weihnachtsduft mit Zimtgebäck

 

2012 © Copyright

Der überforderte Weihnachtsmann

 

Seit vielen Jahrtausenden lebte Flavius im Land der Elfen. Er fühlte sich dort unter seinesgleichen sehr wohl und konnte sich nicht vorstellen, jemals woanders zu wohnen.

Nur einmal im Jahr, nämlich zur Weihnachtszeit, verließ er die Heimat, schnürte sein Bündel und machte sich auf eine Reise. Flavius war ein Weihnachtself und auserkoren, dem Weihnachtsmann bei der Auslieferung der Geschenke zur Hand zu gehen.

Am Morgen des Heiligen Abend packte er ein wenig Proviant ein. Danach verabschiedete er sich von seinem Weib und den Kindern. Zärtlich nahm er die Elfe in den Arm und strich über die Köpfe der Kleinen. „Na dann, bis Morgen und schön brav sein!“

„Bringst du uns was Schönes mit?“, ertönte es im Chor von drei Kinderlippen.

„Mal sehen, ob die Englein auch für euch ein Geschenk verpackt haben“, sagte Flavius schmunzelnd.

 

Das Haus des Weihnachtsmannes lag weit hinten am Firmament und der Elf musste sich sputen, um rechtzeitig an sein Ziel zu gelangen. Der Weg führte ihn entlang der großen Milchstraße. Diese war durch die Ansammlung von Milliarden kleiner Sterne hell erleuchtet und Flavius fand mühelos das goldene Tor zum Weihnachtsdorf. Flink trat er hindurch und blieb wie angewurzelt stehen.

‚Was ist denn hier los?’, dachte er erstaunt und blickte sich verwundert um. Das hatte er noch nie erlebt in all den Jahren, in denen er nun schon im Dienste des Weihnachtsmannes stand.

Stille …! Absolute Ruhe …! Kein Laut war zu hören und niemand zu sehen!

Der ganze Ort schien wie ausgestorben zu sein. Keine fröhliche Betriebsamkeit wie sonst am Tage vor dem Weihnachtsfest und ebenso kein Sägen, kein Hämmern und Werkeln, um noch schnell die letzten Spielsachen für die Menschenkinder zu fertigen. Dicht aneinandergedrängt standen die Häuser verlassen an leeren Plätzen und Gassen. Unterwegs schaute Flavius in die große Werkstatthalle, aber auch hier waren keine fleißigen Wichtel bei der Arbeit zu finden. Allerlei Werkzeug sowie halb fertige Holzeisenbahnen, Puppen und Teddybären lagen verstreut herum. An der Auslieferung, dort wo normalerweise die Englein saßen und das fertige Spielzeug in glänzendes Papier verpackten, standen die Pakete teilweise offen und ohne weihnachtliches Schleifenband verziert.

 

Der unscheinbare Nussknacker

 

Auf dem Weihnachtsmarkt vor der dritten Bude auf der rechten Seite war der Teufel los. Dort stand eine große Menschentraube und bewunderte die schönen Holzfiguren aus dem Erzgebirge. Die Kinder zupften ungestüm am Mantelsaum der Erwachsenen oder machten sich lautstark bemerkbar, damit sie nach vorne in die erste Reihe kamen, um die ausgestellten Spielsachen besser sehen zu können.

Liebevoll hatte der Budenbesitzer seine Ware ausgepackt, die stets während des Sommers in Kisten mit Holzwolle in der Garage lagerte. Nun präsentierte er sie seinen großen und kleinen Kunden. Ordentlich aufgereiht standen die unterschiedlichsten Dinge in den rückwärtigen Regalen und teilweise vor ihm auf der Brüstung. Da gab es handgeschnitzte Weihnachtspyramiden in verschiedenen Größen. Einige bunt bemalt, andere waren naturbelassen. Die Räuchermännchen schmauchten aus ihren Pfeifen und verströmten einen angenehmen Duft. Eingefügt in eine kunstvolle Landschaft stellten die Figuren der Heiligen Familie mit Ochs, Esel und Schafen eine Augenweide für den Betrachter dar. Die zahlreichen Nussknacker bildeten in Reih und Glied eine glanzvolle Parade. Unter ihnen befanden sich Husaren, Förster, Polizisten, Räuber und sogar einige Könige. Nur ein kleiner Nachtwächter mit einer Laterne und einem langen Stab in der Hand versteckte sich in der hintersten Ecke. Er schämte sich seines Aussehens, da er nicht so aufwendig gearbeitet war wie die anderen. Sein Körper war aus grobem Holz geschnitzt und die Bemalung stellenweise abgeblättert. Schon seit mehreren Jahren stand er in der Hütte auf dem Weihnachtsmarkt und träumte sehnsüchtig von einem weihnachtlich dekorierten Zuhause mit einem festlich geschmückten Baum und fröhlichem Kinderlachen. Jedoch niemand wollte ihn haben. Oft genug hatte er mitbekommen, wie die Kleinen riefen: „Den finde ich doof, der glänzt ja nicht so schön wie die anderen!“ Dann wurde er noch trauriger und manchmal kullerten ihm gar ein paar Tränen über die Wangen. So ergab er sich niedergeschlagen seinem Schicksal, wenn er zum Ende des Marktes wieder verpackt wurde.

 

Putztag in der Sternenstube

 

In der Sternenstube war Hochbetrieb. Meister Mond sauste von einer Ecke zur anderen und trieb seine Sternenkinder mächtig an. „Los, los, keine Müdigkeit vorschützen. In drei Tagen ist das Weihnachtsfest und bis dahin müssen die Sternenzacken blitzen und blinken.“

Die kleinen Sternchen beeilten sich, der Aufforderung nachzukommen. Sie rieben mit Feuereifer ihre Zacken blank, damit der Mond mit ihnen zufrieden war. Nicht ein winziges Staubkörnchen durfte zu sehen sein, denn in der Christnacht bekamen alle einen Platz am Himmelzelt zugewiesen, um dem Schlitten des Weihnachtsmannes den Weg zur Erde zu beleuchten. Die Sternchen, die dann am hellsten strahlten, wurden sogar vom Weihnachtsstern ausgewählt, gemeinsam mit ihm über dem Stall zu wachen, in dem das Christkind in einer Krippe lag. Das war eine große Ehre und so warteten sie jedes Jahr am Heiligen Abend voller Ungeduld, bis der Stern von Bethlehem eintrat und mit seiner klaren, glockenhellen Stimme die Namen der Sterne bekannt gab, die ihn begleiten durften. Sie blinkten, blitzten und glitzerten um die Wette, um zu den Auserwählten zu gehören.

Es herrschte eine ausgelassene Stimmung in der Stube. Die Sterne schnatterten ununterbrochen drauflos. Sie putzten und wienerten an ihren Zacken und ein jedes versuchte, das andere zu übertreffen. „Schaut doch mal“, rief Goldlöckchen, „glänzen meine Zacken nicht strahlend hell?“

„Du bist ganz schön eingebildet. Pass bloß auf, dass dir nicht noch ein Zacken aus der Krone fällt“, erwiderte Silberschweifchen und schon war eine heftige Streiterei im Gange, wer wohl die saubersten Zacken am Sternenreif besaß.

 

Oh, du stille Adventszeit …

 

Es war eisigkalt und seit ein paar Tagen schneite es ununterbrochen. Es sah ganz danach aus, als gäbe es in diesem Jahr weiße Weihnachten.

Für Maria waren die letzten Wochen vor dem Fest ein nie zu Ende gehender Albtraum, deshalb verschwendete sie keinen einzigen Blick an die leuchtende Pracht. Die Aufgaben in ihrer Großfamilie stellten die Mutter von fünf Kindern vor eine außergewöhnliche Herausforderung. Nicht dass sie sich beklagen wollte, aber so manches Mal erwog sie die Möglichkeit, einfach ihre Koffer zu packen und irgendwohin auszuwandern. ‚Australien ist auch ganz schön und vor allen Dingen ganz weit weg’, überlegte sie im Stillen. ‚Außerdem gibt es dort keine quengelnden Kinder an meinem Rocksaum.’ Einzig und allein der Gedanke, dass es in vielen anderen Familien um diese Zeit wahrscheinlich vergleichbar aussah, tröstete sie einigermaßen über ihr Schicksal hinweg und ließ sie unverrichteter Dinge im Schoß der Familie verbleiben.

Allerdings beschlich sie ständig das Gefühl, um ein Vielfaches belastet zu werden, als es sonst in der gesamten übrigen Zeit des Jahres geschah. Sie musste nicht nur die obligatorische Mehrarbeit in Form von Kuchenspenden für Kirchenbasar und Schule bewältigen, welches die angeblich geruhsame Advents- und Weihnachtszeit üblicherweise mit sich brachte, sondern wurde zusätzlich noch von einem erheblich höheren Lärmpegel zermürbt, der sich im Allgemeinen innerhalb des Hauses und zumindest während der Sommermonate in erträglichen Grenzen bewegte. Jedoch nicht bei schlechtem Wetter und grundsätzlich nicht vor irgendwelchen Feiertagen und schon gar nicht kurz vor Weihnachten. Dann hielten sich die Kinder vorwiegend daheim auf und brachten ihre Freunde kurzerhand mit, denn sie waren zartfühlend genug, die Nerven anderer Mütter in der näheren Umgebung zu schonen. Mit verdreckten Stiefeln ging es treppauf und treppab, als ob gerade eine Horde Elefanten durchs Haus trampeln würde. Zudem fand die Kommunikation überwiegend schreiend durch Wände hindurch und bei geschlossenen Türen statt.

„Mama, Mamaaaaa …, ich brauche Geld für Papas Weihnachtsgeschenk.“

„Interessant, ich auch. Und im Gegensatz zu mir hast du doch jede Woche Taschengeld bekommen!“