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Hörmärchen

   

Der einfältige Ziegenbauer gesprochen von

Beatrice Amberg

Auf einem großen Hof lebte einst ein Bauer, der neben allerlei Kleinvieh sieben Ziegen sein Eigen nannte. Er galt als überaus reich, weil niemand in der ganzen Gegend solch große Anzahl an Vieh in seinem Gehege besaß. Auch war er für seinen Geiz und die Habgier allerorts bekannt. Die anderen Bauern im Umkreis beackerten ein kleines Stück Land, gerade groß genug, um notdürftig sich und ihre Familien mit Kartoffeln und Rüben zu versorgen. Einige hatten nur Federvieh wie Hühner und Gänse, von denen sie die Eier auf dem Markt verkauften. Wenn eines der Tiere zu alt zum Legen war, musste es der Besitzer schweren Herzens als Suppenbeilage verwenden, sodass die Familie weniger Einkünfte erzielte.

Der wohlhabende Bauer hatte eine liebreizende Stieftochter. Als die Mutter gestorben war, erging es dem Mädchen sehr schlecht. Jeden Morgen musste es die Hofarbeit besorgen und beim Melken der Ziegen helfen. Auch die ganze Hausarbeit lastete auf den Schultern des zarten Kindes. So schuftete die junge Bauernmaid tagsüber bis spät in die Nacht hinein und bekam außer einem kärglichen Mahl keinen anderen Lohn. Sogar Schelte musste sie oftmals über sich ergehen lassen.

„Mach hin und halt keine Maulaffen feil!“, herrschte der Herr seine Tochter an. Er hielt sie wie eine Leibeigene und sein Herz war hart wie Stein. Sein ganzes Sinnen und Trachten galt nur der Vermehrung seines Reichtums. Als nun die Jungfer heranwuchs, freiten viele Bauernsöhne um die schöne Maid. Jedoch wurden sie von dem Bauern barsch abgewiesen, denn er wollte seine Magd nicht verlieren.

„Glaubst du gar, dass ich meine Tochter einem Habenichts zur Frau gebe?“, verhöhnte er die Bewerber. Unverrichteter Dinge zogen diese von dannen.

 

Eines Tages klopfte ein Handwerksbursche, der auf der Walze zu dem Hof kam, an die Tür des Hauses.

„Habt Ihr Arbeit für einen zünftigen Gesellen?“, erkundigte er sich.

„Du kannst das Gatter vom Ziegengehege ausbessern. Es liegt direkt hinter dem Haus. Das Holz ist morsch und wird dem nächsten Winter nicht standhalten“, erklärte der Bauer mürrisch und zeigte dem Burschen die schadhaften Stellen. Alleine gelassen machte dieser sich, ein fröhliches Liedchen pfeifend, an die Arbeit.

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©Marika Krücken

 

Der Wunderlampengeist gesprochen von

 

 Beatrice Amberg

 

Vor langer Zeit lebte in einem fernen Land ein armer Landpächter mit seiner Frau. Ihr ganzer Stolz waren ihre beiden Söhne, Zorak und Goren. Sie waren so unterschiedlich in ihrem Charakter, wie Geschwister nur sein konnten. Zorak war ein rechter Hitzkopf, der immer nur mit dem Kopf durch die Wand wollte. Er war auch häufig neidisch auf seinen Bruder, der von sanftem Gemüt war und gönnte ihm die Anerkennung nicht, wenn Goren die Arbeit zur Zufriedenheit des Vaters erledigt hatte. Aber die Eltern liebten beide von Herzen.

Obwohl die Familie oftmals Hunger litt, weil der Fürst des Reiches immer mehr Abgaben von der Bevölkerung verlangte, waren sie doch sehr glücklich. Wenn sie wieder einmal ein paar Tage hungrig zu Bett gehen mussten und der Frau vor Kummer Tränen über das Gesicht liefen, nahm der Bauer sie tröstend in den Arm und sagte:

„ Nicht weinen, morgen ist ein neuer Tag und vielleicht stundet uns ja der Herr die Steuern. Außerdem haben wir uns und zwei prächtige Söhne.“

„Da hast du wohl Recht“, lächelte sie und wischte sich energisch die Augen.

Aber die Zeiten wurden immer schlechter und die Not immer größer. Der Landesherr hatte keinerlei Mitleid mit ihnen. Er presste seinen Untertanen immer mehr ab. Der Bauer sah keinen Ausweg mehr und rief schweren Herzens seine Söhne zu sich.

„Wir haben nicht mehr genug für uns alle zum Leben“, sagte er seufzend, „ihr müsst uns verlassen und euer Glück in der Fremde suchen. Ich habe nichts, was ich euch mit auf den Weg geben könnte, außer dieser alten Öllampe und meinen guten Wünschen.“

 

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Copyright © Marika Krücken

 

Es wird Zeit gesprochen von

Beatrice Amberg

 

Vorsichtig streckte Papa Eichhorn seine Nase aus dem Kobel und schnupperte in die spätsommerliche Luft.

Das grüne Kleid der Bäume verfärbte sich von Tag zu Tag mehr in eine bunte Blätterpracht. Der Sommer neigte sich dem Ende zu und der Herbst hielt mit Macht Einzug in Wald und Flur.

 

„Kinder, es wird Zeit, dass wir für unsere Vorräte sorgen, bevor der Winter kommt.“

Flups und Flaps balgten sich um eine Haselnuss.

„Gib sofort die Nuss her! Ich habe sie zuerst gesehen“, kreischte Flups und krallte sich am buschigen Schwanz ihres Bruders fest.

„Das ist nicht wahr! Ich habe sie gefunden“, konterte Flaps.

Er versuchte sich loszumachen, drehte sich blitzschnell um, so dass Flups in hohem Bogen über seinen Kopf hinweg flog und einem verdutzten Herrn Eichhorn vor den Füßen landete.

 

„Jetzt ist es aber genug“, schimpfte die Mutter der beiden, „wir haben keine Zeit für eure Streitigkeiten. Wir müssen uns sputen, um genügend Bucheckern, Fichtenzapfen und vielleicht ein paar Beeren zum Nachtisch für die kargen Wintermonate zu sammeln.“

Genüsslich fuhr sie sich mit der Zunge über das Schnäuzchen, als sie an die vielen Leckereien dachte, die im Herbst einfach so von den Bäumen und Sträuchern fallen wie im Schlaraffenland.

Die Hörnchenfamilie machte sich unverzüglich auf den Weg. Sie flitzten mal hier hin, mal dort hin und schleppten ihre Beute zwischendurch immer wieder in das Erdloch, das sie sich für ihre Wintervorräte gegraben hatten.

„Wo ist eigentlich Flups?“, fragte Frau Eichhorn, als sie das Futter in dem Lager geschäftig hin und her sortierte, um noch etwas Platz zu schaffen.

„Ich hab sie nicht gesehen“, brummte ihr Gatte schwer atmend. Er ließ einen großen Zapfen in die Höhle fallen.

Frau Eichhorn sah ihn erschrocken an. Sie rief nach Flaps und verkündete, dass sie die Nahrungssuche unterbrechen und erst einmal nach dem verschwundenen Familienmitglied suchen müssten.

„Flaps, du schaust am Waldrand nach. Papa und ich suchen auf dem Feld nach ihr.“

 

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© Copyright Marika Krücken  

 

Das Froschkonzert gesprochen von

Beatrice Amberg

 

Im Garten herrschte eine rege Betriebsamkeit. Seit Tagen schon versammelten sich allabendlich die Chormitglieder aus der näheren Umgebung auf der Wiese am Rande des Teiches. Sie probten für das große Konzert, das zum Ende des Sommers stattfinden sollte.

 

Oskar Frosch war mit seiner ganzen Familie angetreten, um an diesem wichtigen Ereignis teilnehmen zu können. Seine fünf Kinder waren sein ganzer Stolz und eines quakte schöner als das andere. Bis auf … ja, bis auf sein Jüngstes. Felix hatte so gar nichts von dem Talent seiner Eltern geerbt und sein Quaken hörte sich schauderhaft an.

„Das ist ja unerträglich“, schimpfte der Chorleiter, klopfte mit seinem Dirigentenstab auf das vor ihm stehende Pult und sah Felix strafend an. „Das ist kein melodisches Quaken, das ist eine einzige Katastrophe.“

Felix ließ die Schultern hängen und schaute beschämt in die Runde der anderen Frösche, die ihn schadenfroh angrinsten. Was hatten sie nur alle? Er gab sich doch die größte Mühe und außerdem machte ihm das Quaken mächtigen Spaß. Er fand gar nicht, dass sein Gequake um so vieles schlechter war, als das der Anderen.

Entschlossen nahm Oskar seinen Sprössling zur Seite.

 

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© Copyright Marika Krücken